Künstliche Intelligenz (KI) gewinnt in der Arbeitswelt rasant an Bedeutung. Daher es es für den Betriebsrat in vielen Branchen unverzichtbar, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und die diesbezüglichen Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte zu kennen.

Künstliche Intelligenz (KI) ist der Megatrend in der Arbeitswelt. Laut aktueller Umfragen nutzt mittlerweile jedes dritte Unternehmen KI im Betrieb. Die Anwendungsbereiche werden immer vielfältiger und ausgefeilter. Bereits heute werden Chatbots wie beispielsweise ChatGPT für die Kunden- und Mitarbeiterkommunikation verwendet und ganze Entscheidungsprozesse im Betrieb überwiegend über KI gesteuert.

Das führt bei vielen Arbeitnehmern und Betriebsräten zu erheblicher Verunsicherung. Einerseits kann die KI einem die Arbeit abnehmen und erleichtern, so dass man mehr Kapazitäten frei hat für andere Aufgaben. Andererseits fürchten manche, dass die KI die menschliche Arbeitskraft vollständig oder weitestgehend ersetzt bzw. den Mitarbeiter zum Objekt der Arbeit macht, also am Ende die KI den Mitarbeiter steuert und nicht mehr umgekehrt.

Deshalb ist es umso wichtiger, sich als Betriebsrat mit dem Thema Künstlicher Intelligenz zu befassen und die diesbezüglichen Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte zu kennen.

Doch was versteht man eigentlich unter KI?

Einen Definitionsversuch enthält Art. 3 Nr. 1 im Entwurf der europäischen KI-Verordnung: Danach ist ein System der künstlichen Intelligenz (KI-System) eine Software, die mit einer oder mehreren der in Anhang I zur KI-Verordnung aufgeführten Techniken und Konzepte entwickelt worden ist und im Hinblick auf eine Reihe von Zielen, die vom Menschen festgelegt werden, Ergebnisse wie Inhalte, Vorhersagen, Empfehlungen oder Entscheidungen hervorbringen kann, die das Umfeld beeinflussen, mit dem sie interagieren.

Zu den im Anhang I des KI-Verordnung-Entwurfs aufgeführten Techniken und Konzepte zählen Konzepte des maschinellen Lernens (d.h. selbst lernende Systeme), logik- und wissensgestützte Konzepte sowie statistische Ansätze.

Ob sich dieser KI-Begriff auch im Hinblick auf das BetrVG durchsetzen wird, bleibt jedoch durch die Rechtsprechung abzuwarten. Denn eine eigenständige Begriffsbestimmung zu KI enthält das BetrVG nicht.

Bei Technikfragen – Betriebsrat fragen!

Da es sich bei KI um eine neue Technologie handelt, werden die meisten Betriebsräte zunächst an das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG denken. Danach hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen, wobei nach ständiger Rechtsprechung für das Eingreifen des Mitbestimmungsrechts die objektive Eignung einer Verhaltens- oder Leistungskontrolle ausreicht und es nicht darauf ankommt, ob der Arbeitgeber diesen Zweck tatsächlich damit verfolgt.

Sofern durch den Einsatz der KI im Betrieb Rückschlüsse auf das Verhalten oder die Leistung der Mitarbeiter möglich sind und der Arbeitgeber die Möglichkeit des Zugriffs auf diese Daten hat, was wohl praktisch immer der Fall sein dürfte, wird der Einsatz von KI im Betrieb mitbestimmungspflichtig nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG sein.

Praxistipp: 

Laut einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburg soll die Einführung von ChatGPT dann nicht mitbestimmungspflichtig sein, wenn der Arbeitgeber die Nutzung zwar gestattet, aber selbst keinen Zugriff auf die Daten hat, da die Beschäftigten das Tool als freiwilliges Arbeitsmittel im Browser und nicht über Firmenzugänge nutzen und insofern keine Leistungs- und Verhaltenskontrolle stattfände (ArbG Hamburg, 16.01.2024 – 24 BVGa 1/24). Ob sich diese Sichtweise in der Rechtsprechung durchsetzt, bleibt abzuwarten.

KI-Regelungen im Betriebsrätemodernisierungsgesetz

Hieran dürfte auch das zum 18. Juni 2021 in Kraft getretene Betriebsrätemodernisierungsgesetz nichts geändert haben. Dadurch hat der Gesetzgeber das Thema KI ausdrücklich in das BetrVG aufgenommen und an mehreren Stellen weitere Rechte des Betriebsrats im Zusammenhang mit der Einführung und Anwendung von KI im Betrieb vorgesehen. Konkret hat der Gesetzgeber das Thema KI an drei Stellen im BetrVG explizit geregelt:

Unterrichtungs- und Beratungsrecht bei der Planung (§ 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG)

Neu ist insbesondere die Regelung in § 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Danach hat der Arbeitgeber den Betriebsrat über die Planung von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen einschließlich des Einsatzes von KI rechtzeitig unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten. und mit dem Betriebsrat anschließend zu beraten.

Anschließend hat der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat nach § 90 Abs. 2 BetrVG die vorgesehenen Maßnahmen und ihre Auswirkungen auf die Arbeitnehmer, insbesondere auf die Art ihrer Arbeit sowie die sich daraus ergebenden Anforderungen an die Arbeitnehmer so rechtzeitig zu beraten, dass Vorschläge und Bedenken des Betriebsrats bei der Planung berücksichtigt werden können.

Wichtig ist hierbei, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat bereits in der Planungsphase informiert, und zwar so frühzeitig, dass die Planung noch nicht abgeschlossen ist. Nur dann kann der Betriebsrat den Arbeitgeber auf mögliche Probleme und Schwierigkeiten auf Seiten der Mitarbeiter sowie die Interessen der Mitarbeiter im Zusammenhang mit dem Einsatz von KI hinzuweisen, so dass diese idealerweise im Rahmen der Planung noch mit einfließen können.

Zu spät wäre eine Unterrichtung des Betriebsrats jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber bereits mit Maßnahmen zur Umsetzung des Einsatzes von KI begonnen hat oder ein entsprechendes System bereits im Einsatz ist. Die nicht ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats nach § 90 Abs. 1 BetrVG stellt auch keine Bagatelle dar. Denn kommt der Arbeitgeber seiner Verpflichtung nach § 90 Abs. 1 BetrVG nicht richtig nach, stellt die Verletzung dieser Pflicht eine Ordnungswidrigkeit im Sinne von § 121 BetrVG dar.

Aufstellung von Auswahlrichtlinien durch KI (§ 95 Abs. 2a BetrVG)

Eine weitere Regelung zum Thema befindet sich in § 95a Abs. 2 BetrVG. Danach hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht, wenn bei der Aufstellung von Auswahlrichtlinien KI eingesetzt wird.

Auswahlrichtlinien sind Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen. Diese bedürfen nach § 95 Abs. 1 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrats. Kommt eine Einigung über die Richtlinien oder ihren Inhalt nicht zustande, so entscheidet auf Antrag des Arbeitgebers die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

Sofern der Arbeitgeber bzw. die Personalabteilung also beispielsweise im Rahmen des Recruitings oder der Führungskräfteentwicklung Tools mit Künstlicher Intelligenz einsetzt, so ist dies nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Betriebsrats erlaubt. Übrigens würden nur durch KI getroffene Personalentscheidungen auch gegen Art. 22 Abs. 1 EU-DSGVO verstoßen.

Denn danach hat die betroffene Person das Recht, nicht einer ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung – einschließlich Profiling – beruhenden Entscheidung unterworfen zu werden, die ihr gegenüber rechtliche Wirkung entfaltet oder sie in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtigt. Demzufolge ist eine ausschließlich mittels KI getroffene Personalentscheidung jedenfalls datenschutzrechtlich verboten. Selbst wenn die Entscheidungsfindung durch KI unterstützt wurde, muss die Letztentscheidungskompetenz muss am Ende noch bei einer natürlichen Person liegen.

Anspruch auf KI-Sachverständigen (§ 80 Abs. 3 Satz 2 BetrVG)

Da das Thema KI relativ neu, undurchsichtig und immer wichtiger ist, hat der Betriebsrat einen erleichterten Anspruch auf Hinzuziehung eines Sachverständigen im Zusammenhang mit der Nutzung von KI im Betrieb.
Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 BetrVG kann der Betriebsrat bei der Durchführung seiner Aufgaben nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber Sachverständige hinzuziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Diese allgemeine Regelung wurde wie folgt ergänzt: Muss der Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben die Einführung oder Anwendung von KI beurteilen, gilt insoweit die Hinzuziehung eines Sachverständigen als erforderlich.

Im Ergebnis bedeutet das, dass die Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines Sachverständigen durch den Betriebsrat im Zusammenhang mit dem Einsatz von KI im Betrieb unterstellt wird und der Betriebsrat die Inanspruchnahme nicht weiter gegenüber dem Arbeitgeber begründen muss. In der Praxis kann sich der Betriebsrat dadurch einfacher und schneller fachliche Expertise zu diesem Themenkomplex besorgen. Denn der Arbeitgeber wird nicht mehr bestreiten können, ob der Betriebsrat einen Sachverständigen hierzu wirklich benötigt.

Auch an andere Beteiligungsrechte des Betriebsrats denken

Neben diesen ausdrücklich im Hinblick auf den Einsatz von KI geregelten Rechten des Betriebsrats könnten aber auch an mögliche weitere Beteiligungsrechte des Betriebsrats eingreifen. Insbesondere werden anlässlich des KI-Einsatzes im Betrieb Schulungen und Weiterbildungen erforderlich oder angeboten. Hierbei hat der Betriebsrat nach §§ 96 bis 98 BetrVG Vorschlagsrechte, Beratungsrechte und zum Teil sogar echte Mitbestimmungsrechte.

Je nachdem, in welchem Umfang und Ausmaß KI im Betrieb eingesetzt werden soll und welche Auswirkungen dieses für die Mitarbeiter haben, könnte der Einsatz von Künstlicher Intelligenz sogar eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG darstellen. Denn die Einführung oder Ausweitung entsprechender Tools und Systeme könnte eine grundlegende Änderung der Betriebsanlagen nach § 111 Satz 2 Nr. 4 BetrVG oder die Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden nach § 111 Satz 2 Nr. 5 BetrVG bedeuten.

In diesen Fällen müsste der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat über die geplante Betriebsänderung rechtzeitig und umfassend unterrichten und mit dem Betriebsrat darüber beraten. Darüber hinaus müssten Arbeitgeber und Betriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan verhandeln und abschließen. In einem solchen Sozialplan könnten dann insbesondere Regelungen zu Abfindungen vorgesehen werden, wenn Mitarbeiter durch die KI ihren Arbeitsplatz verlieren würden, oder Regelungen zu Schulungen oder andere Maßnahmen vorgesehen werden, wenn sich durch die KI das Tätigkeitsspektrum und die Aufgaben der Mitarbeiter ändern würden.

Autor: Ingo Mrowka, LL.M.,
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Jüchen

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