Der Frauenchor wollte am 3. Dezember 2016 ein öffentliches Adventssingen in den Räumen einer evangelischen Kirchengemeinde darbieten. Dazu hatten der Vorsitzende des Chores und der Pfarrer Absprachen getroffen. Die Raumnutzung erfolgte im Einverständnis mit der Kirchengemeinde, die die Veranstaltung im lokalen Amtsblatt unter der Rubrik „Kirchliche Nachrichten“ ankündigte. Zuwendungen oder Aufwandsentschädigungen für die Chormitglieder waren nicht vorgesehen. Die Klägerin, ein Mitglied des Chores, hatte auf dem Weg zu diesem Auftritt einen Autounfall bei Glatteis und verletzte sich schwer.
Sowohl die zuständige Verwaltungs-Berufsgenossenschaft als auch die Unfallkasse lehnten die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, weil ihrer Auffassung nach kein Versicherungsschutz bestand. Das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt wies die Klage auf Feststellung eines Arbeitsunfalls, anders als noch die erste Instanz, ebenfalls ab. Es gebe keinen Anhalt dafür, dass die Klägerin ehrenamtlich im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung für eine öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft tätig gewesen sei. Einem Versicherungsschutz kraft Satzung der beklagten Unfallkasse stehe entgegen, dass die Klägerin das Singen in dem Chor aus „Freude am Gesang und der Gemeinschaft“ und damit im Eigeninteresse ausgeübt habe.
Nun kam die frohe Kunde für die Frau: Das BSG gab ihrer Klage auf Anerkennung eines Arbeitsunfalls statt: Seit dem Gesetz zur Verbesserung des unfallversicherungsrechtlichen Schutzes bürgerschaftlich Engagierter und weiterer Personen vom 9. Dezember 2004 sei der Versicherungsschutz nicht mehr von einem unmittelbar ehrenamtlichen Tätigwerden für eine Religionsgemeinschaft abhängig. Ausreichend sei seither ein nur mittelbar ehrenamtliches Tätigwerden über eine privatrechtliche Organisation.
Diese Voraussetzungen habe die Klägerin erfüllt. Das Adventssingen des privatrechtlich strukturierten Frauenchores habe freiwillig, unentgeltlich und im Interesse des Gemeinwohls im Rahmen einer kirchlichen Veranstaltung stattgefunden. Der Weg dahin habe deshalb in innerem Zusammenhang mit dem versicherten Ehrenamt gestanden – selbst wenn die Klägerin das Singen in dem Chor vornehmlich aus Freude am Gesang und der Gemeinschaft ausüben wollte. „Denn Freude gehört zum Wesen des Ehrenamts“, betonten die Richter.
Urteil des BSG vom 08.12.2022 (Az.: B 2 U 19/20 R).
Vorinstanzen: Urteile des LSG Sachsen-Anhalt vom 24.09.2020 (Az.: L 6 U 14/20) und des SG Halle vom 07.11.2019 (Az.: S 23 U 67/18).