Die Norm war vom Gesetzgeber zu Hochzeiten der Corona-Pandemie zunächst im Mai 2020 befristet eingeführt worden, um sicherzustellen, dass Organe der Betriebsverfassung ihre Aufgaben wahrnehmen können, obwohl viele Beschäftigte nicht vor Ort im Betrieb gearbeitet haben. Zudem sollte ermöglicht werden, Betriebsversammlungen abzuhalten, ohne Ansteckungsrisiken einzugehen.
Nachdem der ursprüngliche § 129 BetrVG dann Ende Juni 2021 außer Kraft trat, wurden – auch auf Drängen von Betriebsräten und Arbeitgebern – dann mehrere ähnlich lautende Nachfolgeregelungen verabschiedet. Die jüngste Fassung („Sonderregelungen aus Anlass der COVID-19-Pandemie“) besagte konkret:
„(1) Versammlungen nach den §§ 42, 53 und 71 können bis zum Ablauf des 07. April 2023 auch mittels audiovisueller Einrichtungen durchgeführt werden, wenn sichergestellt ist, dass nur teilnahmeberechtigte
Personen Kenntnis von dem Inhalt der Versammlung nehmen können. Eine Aufzeichnung ist unzulässig.(2) Die Teilnahme an Sitzungen der Einigungsstelle sowie die Beschlussfassung können bis zum Ablauf des 07. April 2023 auch mittels einer Video- und Telefonkonferenz erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Eine Aufzeichnung ist unzulässig. Die Teilnehmer, die mittels Video- und Telefonkonferenz teilnehmen, bestätigen ihre Anwesenheit gegenüber dem Vorsitzenden der Einigungsstelle in Textform.“
Mit dem Wegfall der Vorschrift sind ab dem 08.04.2023 zwar Betriebsratssitzungen (und solche von Gesamtbetriebsrat, Konzernbetriebsrat, Jugend- und Auszubildendenvertretung) virtuell und hybrid erlaubt und auch bestimmte Sitzungen des Wahlvorstands. Versammlungen im Betrieb und Einigungsstellenverfahren auf digitalem Wege sind hingegen de jure nicht mehr rechtsgültig möglich.
Das wird von Arbeitsrechtsexperten und vielen Betriebsparteien kritisiert, zumal (Sport-)Vereinen erst kürzlich die Möglichkeit eröffnet wurde, virtuelle und hybride Mitgliederversammlungen abzuhalten (§ 32 Abs. 2 BGB).
Andere Stimmen weisen jedoch darauf hin, dass ein persönlicher Austausch in vielen Fällen auf Zusammenkünften zu einer anderen Dynamik führe. Zudem träten Datenschutzbelange – wie etwa bei Nutzung von Videokonferenztools, die Teilnehmerdaten und Abwesenheitszeiten tracken – in den Hintergrund.
Praxistipp:
Betriebsräte sollten die Rechtsänderung gegenüber ihren Ansprechpartnern in der Geschäftsführung oder Personalabteilung pro-aktiv kommunizieren. So lassen sich bereits im Vorfeld etwaige Diskussionen abkürzen, wenn es darum geht, dass statt eines Video-Calls für Betriebsversammlungen im zweiten Quartal doch wieder Räumlichkeiten reserviert, gebucht und vom Arbeitgeber bereitgestellt bzw. bezahlt werden müssen.