In ihrer Studie betrachteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konkret den Zusammenhang zwischen Beteiligungserfahrungen am Arbeitsplatz und politischen Einstellungen. Dabei zeigte sich laut einer Mitteilung, „dass eine gefühlte Fremdbestimmung am Arbeitsplatz den Betroffenen politisches Engagement allgemein sinnloser erscheinen lässt“. Wer hingegen „positive Beteiligungserfahrungen im Betrieb macht“, stimme „seltener rechtsextremen und autoritären Aussagen zu“ – etwa einer Verklärung des historischen Nationalsozialismus, antisemitischen Schmähungen oder dem Ruf nach einer Diktatur. Zugleich erscheine die politische Demokratie „dann in einem positiveren Licht“.
Die Untersuchung weist den Angaben zufolge zudem „erstmals nach, dass Betriebsräte und Gewerkschaften die Beteiligungserfahrungen von Arbeitnehmern statistisch nachweisbar erhöhen – und damit indirekt demokratische Haltungen stärken“. Allerdings gebe es hier regionale Unterschiede: So seien positive Erfahrungen von Partizipation am Arbeitsplatz in Thüringen und Sachsen „schwächer ausgeprägt als im übrigen Ostdeutschland“.
Insgesamt sei außerdem zu berücksichtigen, dass der Arbeitsmarkt in den ostdeutschen Bundesländern nach wie vor Besonderheiten aufweise: Betriebsräte seien weniger selbstverständlich, Löhne oft niedriger und Arbeitszeiten nicht selten länger.
Mitbestimmung als Beteiligungserfahrung
Die Daten aus der Befragung zeigten „deutlich, dass Erfahrungen demokratischer Handlungsfähigkeit am Arbeitsplatz ein Baustein sind, um demokratische Einstellungen zu fördern und autoritäre und rechtsextreme Ansichten zurückzudrängen“, ordnet Mitautor Andre Schmidt die Ergebnisse ein. Er betont jedoch zugleich, Mitbestimmung und Beteiligung im Wirtschaftsleben seien „kein Allheilmittel gegen autoritäre Versuchungen“.
Jupp Legrand, Geschäftsführer der Otto Brenner Stiftung, sieht angesichts dessen auch Regierung und Parlament in der Pflicht: „Eine Politik, die den Kampf gegen die extreme Rechte und für die Demokratie ernst nimmt, ist aufgefordert, den Ausbau der institutionellen Mitbestimmungsmöglichkeiten konkret zu fördern“. Gewerkschaften und Betriebsräte seien zugleich aufgerufen, „schon jetzt aus Möglichkeiten der Mitbestimmung noch stärker als bisher reale Beteiligungserfahrungen zu machen“.
Für die repräsentative Untersuchung „Arbeitswelt und Demokratie in Ostdeutschland. Erlebte Handlungsfähigkeit im Betrieb und (anti)demokratische Einstellungen“ (zugleich: OBS-Arbeitspapier 64) haben die Forschenden um Johannes Kiess (Else-Frenkel-Brunswik-Institut, Universität Leipzig) ihren Angaben nach rund 3.000 Beschäftigte aus den sog. neuen Bundesländern befragt. Das Dokument kann im Volltext auf den Seiten der Otto-Brenner-Stiftung als Pdf heruntergeladen werden.